Lokallust 27.06.2022
Text: Martina Jansen – Fotos: Christian Sklenak
Es begann mit einem Geschenk
„Eigentlich wollte ich nur meiner Tochter ein Geschenk machen“, erzählt Ingrid Langenhorst. „Sie mochte meinen Garten so sehr, daher schrieb ich alles auf, was in einem Gartenjahr passierte.“ Das Geschenk ist mittlerweile 30 Jahre alt und leihweise wieder im Besitz der liebenswerten Seniorin. Hinzugesellt hat sich seitdem jedoch jedes Jahr ein weiteres Gartentagebuch, dass sie nur für sich geschrieben hat.
Es hat mich schon ein wenig Überredungskunst gekostet, um sie davon zu überzeugen, „dass nicht alle denken, die alte Frau dreht jetzt durch und macht sich wichtig“, wie Ingrid Langenhorst wörtlich ihre Bedenken äußerte. Erst der Hinweis, dass sie doch auch sowohl im Heimatkalender als auch in der Lokallust gerne Geschichten anderer Menschen liest, überzeugte sie letztendlich, mir etwas über sich und ihre Tagebücher zu erzählen.
„Ich musste das Schreiben damals geheim halten, damit Martina nichts davon mitbekommt“, erinnert sich die Lembeckerin an ihr erstes Buch. „Es sollte ja wie gesagt ein Geschenk werden.“
Alle ihre Gedanken sind in den chinesischen Tagebüchern fein säuberlich in schönster Handschrift mit Füllertinte festgehalten. Ergänzt werden die Einträge von Fotos, die die bescheidene Frau selbst machte und mit Gedichten Ihrer Freundin Maria Sanders aus Bocholt. Ich muss sagen, das macht ordentlich Eindruck beim Blättern!
Was blühte wann? Welche Rose duftete am schönsten? Wie viele Frösche tummelten sich im Gartenteich? Ingrid Langenhorst hat auf alle diese Fragen eine Antwort, egal, welches Jahr gemeint ist, auch wenn sie dafür kurz blättern muss. Über ihren Garten gab und gibt es immer noch genug zu schreiben, an jeder Ecke ist etwas Interessantes zu sehen, davon kann ich mich selbst überzeugen. Er ist ein Paradies für diejenigen, die ein wenig „Unordnung“ im grünen Zuhause lieben. „Hier darf alles so wachsen wie es mag“, erzählt sie mir und setzt sich auf die Bank in der Nähe ihrer Lieblingsblume, der Rose. Der Garten ist Natur pur, keine freie Bodenfläche ist zu sehen, alles wird von Pflanzen und gesammelten Steinen „von unterwegs“ bedeckt.
Gartenjahr für Gartenjahr verging, das Schreiben ließ Ingrid Langenhorst nicht mehr los und so hat sie mittlerweile alle chinesischen Tagebücher, die noch verfügbar waren, vollgeschrieben. „Leider gibt es sie jetzt nicht mehr zu kaufen, so sehr ich mich auch bemühe und im Internet suche“, bedauert sie. Ja, Sie haben richtig gelesen, liebe Leserin, lieber Leser, anstelle eines Mittagsschlafes, fährt die fast 85-Jährige ihren PC hoch, googelt nach passenden Gedichten für ihre Bücher, spielt ein paar Spiele oder beantwortet ihre Mails. „Das hält meinen Geist fit“, erwähnt sie und ich gebe ihr absolut recht.
Neben ihrem Rechner stehen ganz oldschool ihre gesammelten Werke: sämtliche Ausgaben des Heimatkalenders, zahlreiche Gartenbücher und Handarbeitshefte und natürlich nach Gartenjahr geordnet ihre Gartentagebücher. Zwei Bücher stechen dort hervor und Ingrid Langenhorst zeigt sie mir mit einem Schmunzeln. „Das sind meine Tischlein-deck-dich-Bücher“, erzählt sie mir und wir blättern ein wenig darin. Das große Buch beinhaltet einen riesigen Fundus an Erinnerungen. Einladungskarten, Tischdeko mit Originalservietten, Rezepten und natürlich Fotos versetzen den Betrachter wieder zurück an den Ort der Feier.
All diese Bücher mit Inhalt zu füllen, das kostet natürlich Zeit. Und so setzt sich die freundliche Rentnerin fast jeden Tag an ihren Tisch und bringt ihre Gedanken zu Papier, mittlerweile auch übers Weltgeschehen. „Eine halbe Stunde schreibe ich wohl täglich, am liebsten am Sonntag. Für viele ältere Menschen ist dieser Tag ein Gräuel, aber ich liebe ihn. Für mich ist das der herrlichste Tag der Woche, da bin ich nicht abgelenkt und so kann es durchaus sein, dass ich nach zwei Stunden immer noch weiterschreibe.“ Aber Ingrid Langenhorst schreibt nicht nur Tagebücher, sondern auch zahlreiche Briefe an ihre Freundin Maria, mit der sie eine 65-jährige Freundschaft verbindet. Die zwei haben sich offensichtlich immer etwas zu erzählen, denn „an die hundert Briefe im Jahr schreibt wohl jeder von uns“, erwähnt die Seniorin. Und es sieht auch nicht danach aus, als würde sich daran so schnell etwas ändern.
Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak