„Ich habe ein Stückchen von meiner eigenen Kindheit hierher geholt”, erklärt Maria Thier. Seit vielen Jahren – wie lange schon weiß sie gar nicht mehr so genau – ist sie Leiterin des St. Laurentius-Kindergartens in Lembeck, vor 30 Jahren hat sie hier ihre Ausbildung begonnen. Im Laufe der Jahre hat sie versucht, ein paar von den Dingen, die in ihrer Kindheit wichtig waren, an den Schluerweg zu holen.
Dabei war Maria Thier selber nie in einem Kindergarten, sondern wurde in einer Großfamilie auf einem Lembecker Bauernhof groß. Da konnte man als Kind vieles entdecken und immer in Bewegung sein. Und genau das bietet der Laurentius-Kindergarten seinen kleinen Besuchern heute auch. „Wir haben hier geniale, traumhafte Möglichkeiten”, schwärmt Maria Thier davon, dass der Kindergarten seit 30 Jahren das Schwimmbad nebenan einmal wöchentlich nutzen kann und die Turnhalle der benachbartenGrundschule und insbesondere vom Außengelände, das im weiten Umkreis seine Vorbilder sucht. Neueste Errungenschaft – mit Mitteln des Fördervereins angeschafft und mit Hilfe der Eltern aufgebaut – ist der Niedrigseilgarten. Er lädt ein zum Klettern und Balancieren, ist aber auch ein ideales Instrument, Kinder zu fördern, die eine Fehlstellung der Füße haben. Da gibt es auch einen kleinen Wasserlauf mit Pumpe, und die Kinder lieben es, sich erst nass zu machen und dann nebenan im Sand zu „panieren”. Überall hängen Schaukeln, es gibt Hügel und Waldboden, eine Feuerstelle und ein kleines Amphitheater zum Singen und Spielen wie kürzlich beim Sommerfest.
Das Amphitheater ist umgeben von Bambus: „Die Kinder wissen, das ist nachwachsender Rohstoff”, erklärt Maria Thier. Im Herbst wird er geschnitten, die Bambusstöcke lagern im Keller-Werkraum. Während der EM wurden daraus Deutschland-Fahnen gebastelt – Naturwissenschaft zum Anfassen. Unterschiedliche Pfade gibt es draußen, damit die Füße Verschiedenes zu fühlen haben und einen Sandkasten, aus dem nun ein Steinkasten geworden ist. Ein Kaninchen lebt im eigenen Stall draußen, die Hühner allerdings mussten wegen der Vogelgrippe abgeschafft werden. Und natürlich gibt es den Nutzgarten, in dem Erdbeeren, Rhababer und Kohlrabi wachsen, der Mais wurde gerade ausgesät. Die eigene Ernte wird beim täglichen gemeinsamen Frühstück verputzt. Einmal in der Woche wird zusammen gebacken und vorher das Korn mit der eigenen Mühle gemahlen. „Damit die Kinder die Sinnzusammenhänge erkennen”, erklärt die Kindergartenleiterin das Ziel. „Eigentlich ist es ja ein ganz einfaches Prinzip: Wir leben hier mit den Kindern.” Im Alltag und ohne die Kinder aus dem heraus zu nehmen, was sie gerade tun, werden sie gefördert, lernen Neues quasi nebenher. Die Sprachförderung passiert, indem man viel mit den Kleinen spricht, viel vorliest, viel singt und spielt.
„In der Kindheit werden die Grundlagen dafür geschaffen, dass die Kinder später in der Lage sind, ihr Leben zu meistern, dass sie neue Strategien entwickeln können, wenn’s Probleme gibt, dass sie belastbar, angstfrei und ausgeglichen sind. Das muss in der Seele ankommen”, spricht Maria Thier von Werten, die Kinder im Alltag lernen. Allerdings nur, davon ist die Erzieherin überzeugt, wenn man sie nicht schon in der Kindheit ständig unter Druck setzt. „Wir vergeigen viel wertvolles Potenzial”, fürchtet sie, wenn sie an zu hohe Anforderungen in Schulen und Elternhäusern denkt. Zu immer mehr Kursen werden Kinder geschleppt, kommen immer früher in die Schule: „Vieles, was im Moment passiert, ist nicht gut für Kinder”, ist sich die Erzieherin sicher. „Wir müssen das Eigenbildungspotenzial der Kinder stärken”, beschreibt sie das Ziel des katholischen Kindergartens. Kinder brauchen Selbstvertrauen und Erfolgserlebnisse. Die Erzieherinnen stehen in regelmäßigem Kontakt mit den Eltern. Nicht immer ist es leicht, sich mit ihnen über die Ziele zu verständigen. „Wir müssen unsere Arbeit transparent machen” heißt deshalb die Devise. Schon bevor die neuen Kinder kommen, gibt es gemeinsame Spielnachmittage und einen Elternabend, nach bis acht bis zehn Wochen einen Hausbesuch. Da können die Erzieherinnen zum einen das Umfeld der Kinder kennenlernen, zum anderen mit den Eltern über die Eingewöhnungsphase sprechen. Außerdem wird mit den Eltern zusammen ein Fragebogen ausgefüllt, den der Kindergarten über die Jahre entwickelt hat. Darin geht es z.B. um die Bezugspersonen der Kinder und um einschneidende Ereignisse der Vergangenheit. „Das hilft uns, die Kinder besser zu verstehen”, erklärt Maria Thier. Auch Frühstücksgespräche mit den Eltern sind fester Bestandteil des Terminplans.
Steckbrief:
Name: Kindergarten St. Laurentius
Ortsteil: Lembeck
Träger: kath. Kirche
Gruppen: 4
Kinder: ab August 90 Plätze, davon 86 belegt
Mitarbeiter: derzeit neun, ab August eine Teilzeitkraft zusätzlich
Öffnungszeiten: 7.30 bis 16.30 Uhr
Telefon: 0 23 69/7 72 22
Besondere Angebote: ab August 22 Plätze in der Über-Mittag-Betreuung, neun Plätze für unter Dreijährige
Gründungsjahr: 1965
Durch Kibiz weniger Plätze
Interview mit Leiterin Maria Thier
Das Kinder-Bildungsgesetz (KiBiz) bringt auch für den St. Laurentius-Kindergarten Veränderungen.
Was tut sich durch KiBiz bei ihnen?Maria Thier: Wir haben ab August statt 100 nur noch 90 Plätze, weil wir neun unter Dreijährige aufnehmen. 86 Plätze werden belegt, so können wir auch unterm Jahr neue Kinder aufnehmen. Eine Tagesstättengruppe für Zweijährige haben wir beantragt, aber noch nicht genehmigt bekommen.
Was ändert sich personell?Maria Thier: Wir bekommen eine Teilzeitkraft für die Über-Mittag-Betreuung dazu. Wir haben dann 22 Kinder in der Über-Mittag-Betreuung, doppelt so viele wie bisher. Da hatten wir immer eine Warteliste.
Welche Betreuungszeiten haben denn die Eltern gebucht?Maria Thier: Der überwiegende Teil wünscht 35 Stunden, einige auch 45 Stunden. 25 Stunden Betreuung hat niemand gewählt.
Was bringt die Zukunft?Maria Thier: Wir haben schon vor längerer Zeit einen Antrag fürs Familienzentrum gestellt. Wir hoffen, dass es im nächsten Jahr klappt. Wir würden auch gerne anbauen.
Quelle: WAZ (11.07.2008, Ute Hildebrand-Schute)