Lembeck um die Jahrhundertwende – 1900
In der Zeit der Jahrhundertwende war Lembeck im Umbruch. Das abgelegene Dorf, ohne Verbindungsstraßen zu den Nachbarorten und zur Industrie, wurde plötzlich durch die Eisenbahn und den Straßenbau, vor allen Dingen durch die neue Straße nach Wulfen, vollkommen verändert.
Bis dahin war Lembeck ein eigenständiges Dorf. Die Landwirtschaft sorgte für die Grundnahrungsmittel, Wolle lieferten die Schafe und Flachs wurde für die Leinenherstellung angebaut.Sämtliche Handwerkerberufe waren vertteten, auch Schnaps und Bier wurden im Dorf hergestellt.
Der Gemeindevorstand von 12 Personen mit dem Gemeindevorsteher an der Spitze sorgte sich um das Wohl der Gemeinde. Gemeindevorsteher um die ]ahrhundertwende war Bernhard Große-]üttermann. Im Gemeindevorstand waren vertreten:
Schmitz als Stellvertreter, Ruhkamp, Kipp, Hortmann, Harde, Kölking, Thier, Sondermann, Greiwing, Schwenk, Rößmann und Wolthaus. Kock war Amtmann und Brunn Gelderheber. Lembeck hatte damals 1900 Einwohner.
Die Gemeinde hatte ihre eigenen Verordnungen, wie z.B. die Verordnung über Hand- und Spanndienst, über Wege und Bäche. Festgelegt wurden diese Verordnungen vom Gemeindevorstand.
Der Gemeinderat wurde vom Gemeindevorstand, vom Amtmann und vom Gelderheber aufgestellt und musste dann vom Kreis genehmigt werden. Ein großes Problem war die schulische Situation. Bei über 200 Kindern und nur zwei Lehrpersonen beschloss man 1891 ein Schulgebäude in der Bauersdraft Beck zu bauen.
Man wollte damit die Dorfschule entlasten und das Schulgeld für die Kinder, die nach Lippramsdorf zur Schule gingen, sparen.
Immer mehr Bürger forderten eine befestigte Straße nach Wulfen.Bauern und Handwerker wollten ihre Erzeugnisse im “Kohlenpott” absetzen.
1895 beschloss man dann diese Strecke zu bauen, der unternehmer Bellmann bekam den Zuschlag. Im Straßenbau war man in Lembeck noch recht unerfahren. So hatte man viele Nebenkosten z.B. für Durchlässe und Wegeeinmündungen vorher nicht berechnet.
Durch den Straßenbau war die Gemeinde dann so hoch verschuldet, dass in den nächsten Jahren nur das Nötigste in Angriff genommen werden konnte.
Die Dorfschule war immer noch zu klein. Insgesamt gab es um 1900 in Lembeck 372 schulpflichtige Kinder (davon 82 Kinder in der Knabenschule, 88 Kinder in der Mädchenschule, 79 Kinder in der Vorschule, 83 Kinder in der Schule Beck).
Wegen Überfüllung der Dorfschule beschloss man um 1900 eine Schule in Wessendorf zu hauen. Der Kreis sollte 3/5 der Baukosten tragen und jährlich 600,- M. für den Lehrer zahhln. Der Beschluss wurde zwar gefasst, die Bauausführung sollte aber noch einige Jahre dauern.
Wegen der großen Feuergefahr in Lembeck wollte man Feuerwehrtürme errichten, damit man ein Feuer rechtzeitig bekämpfen konnte. Eine Feuerwehr gab es zu der Zeit noch nicht. Dieses Vorhaben scheiterte an den Kosten. Eine Biersteuer wurde vom Gemeindevorstand abgelehnt. Die Kosten würden die Einnahmen angeblich übersteigen.
Im November 1900 schloss die Gemeinde eine Haftpflichtversicherung für Schäden ab, die Folge der schlechten und unbeleuchteten Wege waren.
Anfang 1901 begannen dann die ersten Verhandlungen mit den Anliegern der unteren Dorfstraße und der späteren Bahnhofstraße. Diese beiden Straßen sollten ausgebaut werden.
Nach der Vorflut-Polizeiverordnung wurde im August 1901 eine Wasserschaukommission gewählt mit folgenden Leuten: Johann Haane, Franz Harde, Theodor Loick und Johann Einhaus, Stellvertreter waren: Johann Kölking, Heinrich Rogge, Heinrich Sondermann und Josef Linneweber.
Da immer mehr Leute auswärts zur Arbeit gingen, stellte der Gemeindevorstand einen Antrag an die Königliche Eisenbahn-Direktion in Duisburg wegen einer Haltestelle in Lembeck. Die Bahnlinie bestand seit 1879, Lembeck hatte aber keinen Bahnhof. Dem Antrag wurde stattgegeben, die Gemeinde Lembeck musste aber Grund und Boden für die Haltestelle zur Verfügung stellen und die Kosten tragen. Sie betrugen 9100,- Mark.
Im Februar 1902 beschloss man, den Grenzweg zwisdren Klein-Reken und Lembeck mit Steinen auszubauen. Eine Verbreiterung wurde wegen des Hohlweges abgelehnt. Auch die Gemeinde Heiden suchte einen Weg zum Industriegebiet. Sie forderte deshalb den Ausbau des Weges Lembeck-Heiden. Der Antrag wurde abgelehnt, da der Weg von Lembeckern kaum benutzt wurde.
Nun stellte der Kreis Borken einen Antrag an die Gemeinde Lembeck, den Weg von Klein-Reken nach Lembeck chausseemäßig auszubauen. Mit Mehrheit im Gemeindevorstand wurde für den Ausbau gestimmt, wenn die nötigen Zuschüsse bewilligt würden. Leider scheiterte daran der Ausbau.
Der Kreisschulinspektor forderte im Januar 1903 eine 4. Lehrkraft für die Dorfschule. Diese Forderung musste aus finanziellen Gründen abgelehnt werden. Bei 244 Kindern müssten 3 Lehrpersonen reichen und weitere Kinder kämen wohl nicht dazu.
Damals gab es auch schon Wunder. Die Königl. Regierung, Abt. Kirchen und Schulwesen, schenkte der Dorfschule neue Schulbänke, auch die Aborte wurden auf Kosten der Regierung renoviert.
Auf Verfügung des Landrates vom ]uli 1903 sollten alle öffentlichen Wege und Grundstücke in Lembeck vermessen werden. Bei vielen Wegen und Grundstücken bestand aber ein Zweifel, wer Eigentümer war. Die Vermessung wurde abgelehnt wegen der Kosten und mit der Begründung, dass die Katasterkarten mit
der Wirklichkeit nicht übereinstimmen würden.
Erstmals tagten im November 1903 die Gemeindevorstände von Lembeck und Rhade gemeinsam. Der Kommunalweg von Lembeck nach Rhade sollte chausseemäßig ausgebaut werden, wenn der Kreis und die Provinz die erfordeärlichen Beihilfen zur Verfügung stellen würden.
Die Brücke am Rhader Mühlenteich sollte das Schloss bauen und auch unterhalten.
Nachdem Lembeck eine Bahnhaltestelle erhalten hatte, wollten die Deutener auch eine Haltestelle. Die Königliche-Eisenbahn-Verkehrsinspektion in Essen verlangte von Lembeck einen Zuschuss in Höhe von 4000 M., da auch die Bewohner von Lembeck-Lasthausen diese Haltestelle benutzen würden. Die Gemeinde
Lembeck zahlte damals aber nur 500 Mark.
Im Dezember 1903 stellten die Einwohner vom Kiebitzberg und von Endeln den Antrag an die Gemeinde, die Straße Lembeck-Rhade durch Endeln zu bauen. Der Gemeindevorstand war damit einverstanden, die Mehrkosten sollten allerdings die Interessenten tragen. Dagegen erhob der Kreis sofort Einspruch.
Auf Druck der Kreisbehörde musste Lembeck im ]anuar 1904 die Biersteuer und die Reichsbrausteuer einführen.
Der Schulneubau in Wessendorf sollte nun endlich erfolgen. Die Gemeinde wollte dafür jährlich 500 M für Zinsen und Tilgung und 600 M für einen Lehrer aufbringen, einmalig 600 M für die Einrichtung der Schule.
Der Standort sollte so gewählt werden, dass möglichst kurze Wege für die Schulkinder entstehen. Johann Buckstegge stellte ein Grundstück von 1 1/2 Morgen zur Verfügung. Bauplan und Baukosten erstellte der Zimmermann Mast.
Die Chaussierung des Grenzweges Lembeck-Reken wurde Heinrich Bösing vom Specking übertragen. Die Kosten betrugen 1734,-M.
Im Juli 1904 wurde der Beschluss gefasst, die Straße von Lembeck nach Rhade zu bauen. Die Arbeiten sollte der Lembecker Unternehmer Benneweg ausführen (Baukosten: 105 000,- M, für Grunderwerb 21 000,- M.)
Eine 4. Lehrkraft für die Lembecker Schule wurde im August 1904 wiederum abgelehnt, der Grund dafür war nun eine schlechte Ernte. Die Gemeinde musste ja damals das halbe Lehrergehalt zahlen, ein Lehrer verdiente 1200,- M., eine Lehrerin 1000,- M. im Jahr.
Lembecker Interessenten forderten im November 1904 den Bau eines Güterbahnhofs. Der Gemeindevorstand stimmte zu, die Interessenten sollten jedoch die Kosten selbst tragen. Aus diesem Grunde scheiterte dann das Vorhaben.
Im November 1904 beschloss die Gerneinde dem Obstbauverband beizutreten und es wurde in Lembeck der Obstbauverein gegründet.
Der Obstbauverein erhielt von der Gemeinde einen jährlichen Zuschuss von 50,- M.
Der Chausseeausbau nach Reken wurde im März 1905 zurückgestellt. Der Weg nach Wessendorf sollte unter Beteiligung der Anlieger und Bewohner von Wessendorf erst mal ausgebessert werden. Die Arbeiten erfolgten durch Hand- und Spanndienst. An den Kosten mussten sich die Anlieger beteiligen.
Für das Dorf sollte ein Bebauungs- und Fluchtlinienplan aufgestellt werden (Januar 1906). Der Antrag um Aufstellung von Straßenlaternen wurde abgelehnt.
Im März 1906 beschloss man den Weg zur Bahnhaltestelle von Böllings Scheune bis zum Kreuz von Loick auszubauen. Die Straße sollte eine Steindecke erhalten (Kosten: 19.403,- M.). Den Auftrag bekam der Unternehmer Bösing von Specking.
Im Mai 1907 wurden die Gehöfte Wolthaus und Spickermann von der Gemeinde gekauft. Die Gebäude sollten der neuen Straßenführung weichen.
Am 14.4.1908 verstarb der Gemeindevorsteher Jüttermann. Stellvertreter Schmitz führte die Amtsgeschäfte bis zur Neuwahl im August 1908. Dann wurde das Gemeindevorstandsmitglied Heinrich Sondermann zum neuen Gemeindevorsteher gewählt.
Man beschloss im August 1908 die untere Dorfstraße als Kreisstraße auszubauen. Es war ein Fluchtlinienplan aufgestellt worden, der aber bei den Anliegern keinen Anklang fand. Einsprüche kamen von allen Seiten. Für eine Straße wollte keiner Landi abgeben.
Immer mehr Leute fuhren mit der Bahn. Deshalb forderte man den Ausbau der restlichen Wegstrecke vom Kreuz Loick bis zur
Haltestelle. Der Unternehmer Benneweg baute dann dieses Stück Weg für 5.118,- M. mit Hochofenschlacke aus.
Der Chausseebau Lembeck-Reken wurde im Juli 1909 endgültig wegen zu hoher finanzieller Belastung zurückgestellt. Im April 1910 beschloss man den Weg von Lembeck-Brok zum Bahnhof Rhade auszubauen. Die Königliche Eisenbahn wollte Schotter zur Verfügung stellen.
Eine 4. Lehrkraft an der Dorfschule wurde im Juni 1910 wieder abgelehnt, diesmal wegen Raumnot in der Schule. Man verhandelte mit der Kirchengemeinde und es sollte eine neue Schule gegenüber der alten Pastorat gebaut werden. Dieses Vorhaben scheiterte an der schlechten Finanzlage der Gemeinde.
Ende 1910 wurde die Rhader Straße bis zum Heiligenhäuschen verlängert. Die Kosten betrugen 9.211,- M.
Erstmalig sprach man im September 1910 von einer Feuerwehr, deren Gründung im Jahr 1911 stattfinden sollte.
Der Lehrer Wiemeyer war imn Oktober 1910 25 Jahre in Lembeck tätig. Bei der Feieriichkeit beteiligte sich die ganze Gemeinde.
Die Dorfschule sollte wieder entlastet werden. Es wurde im Gemeindevorstand der Beschluss gefasst, eine Schule in Endeln zu bauen. Das Grundstück von 2 Morgen war für 1.000,- M. gekauft worden. Geplant wurde eine einklassige Schule ohne Lehrerwohnung. Die Lehrperson sollte bei den Bauern wohnen.
Die Gründung der Feuerwehr erfolgte im Juni 1911. An Kosten für die Ausrüstung fielen 742,- M. an. Die Gemeinde erhielt Zuschüsse von einigen Versicherungsgesellschaften.
Im September 1911 verhandelte die Gemeinde mit den V. E. W. um einen Stromvertrag. Die Kosten waren aber für die Gemeindekasse zu hoch.
Durch die großen Anforderungen an die Gemeinde um die jahrhundertwende verdoppelten sich die Ausgaben. Entspredrend wurden dann auch die Steuern erhöht.
Quelle: Buch “Lembecker Geschichten” (1984) zusammen gestellt und bearbeitet von Hugo Hölker