Flüchtlingshilfe Lembeck – Rhade
Flüchtlingshilfe – Willkommen – Welcome – in Lembeck und Rhade
Es ist September 2015. Die Nachrichten überschlagen sich und berichten von Flüchtlingen, die auf dem Weg nach Deutschland sind. Es wird klar, dass auch in Lembeck zwei Landesunterkünfte eingerichtet werden: die ehemalige Hauptschule mit 200 Plätzen und übergangsweise die Jugendherberge mit 100 Plätzen.
Nun ist es wichtig, alle Menschen im Dorf gut zu informieren und mitzunehmen in eine besondere Zeit. Ein Zusammenschluss von Porte, Kirche und Vereinen nimmt dies in die Hand.
Am 7. Oktober 2015 findet in der vollbesetzten Kirche eine gut vorbereitete Versammlung statt. Pastor Voss, Bürgermeister Stockhoff und die Malteser als Betreiber der Einrichtung informieren und diskutieren gut und intensiv. Die neugegründete Flüchtlingshilfe Lembeck stellt ihr „Organistenmodell“ vor.
Jetzt kommt die Hilfsbereitschaft der Lembecker richtig in Fahrt! 120 Zettel sind mit den unterschiedlichsten Ideen für Hilfsangebote ausgefüllt. Die Angebote werden gesammelt und Gruppen zugeordnet: Sprachkurse, Freizeit und Begegnung, Virtuelles Lager für Möbel und Hausrat, Kleiderkammer, persönliche Hilfestellungen, Spenden und Finanzen. „Organisten“ sind die Organisatoren der einzelnen Helfer-Gruppen. Es entsteht so ein breites Netzwerk.
Nun muss die Schule zur Unterkunft umgerüstet werden. Der Schützenverein stellt die Betten und Schränke auf. Organisten kümmern sich um Möbel für ein Spielzimmer und einen Aufenthaltsraum für Erwachsene. Piktogramme vermitteln die wichtigsten Informationen. Ein Flyer informiert über Lembeck. Kinder des T.O.T.s malen ein „Willkommen“-Plakat. Eine Kleiderkammer wird eingerichtet. Sie hat bald zwei Außenlager und muss später noch einmal umziehen. Einige Helfer begrüßen am 13.10.2015 gegen 22 Uhr die ersten 80 Flüchtlinge aus Syrien, Nigeria, Iran usw. Die Ankommenden sind offensichtlich erschöpft. Nach dem Abendessen wird jedem ein Wäschepaket und ein Bett zugewiesen: Ausschlafen, Essen und etwas Erholung.
Aber das Wichtigste am nächsten Tag ist für die Menschen die Verbindung über das Handy nach Hause. An der Tankstelle und im Copy-Shop stehen die Angekommenen Schlange! Durch einen Rundruf finden sich schnell Lembecker ein und helfen die SIM-Karten für die Handys zu aktivieren.
Die ersten Lehrer beginnen zügig mit dem Deutsch-Unterricht für Kinder und Erwachsene. Die Kurse sind beliebt. Besonders die Kinder lernen schnell, und die Lehrer versuchen unter viel Gelächter auch das eine und andere Wort aus dem Arabischen zu lernen. Auch für die Freizeitgestaltung lassen sich Lembecker etwas einfallen. Für Frauen entsteht ein wöchentliches Handarbeitsangebot. Flüchtlinge lernen Lembecker Vereinsleben kennen: Tischtennis,
Harmonie und besonders Fußball Spielgruppen werden organisiert, nicht nur um die Langeweile zu vertreiben. Die Kinder haben einen großen Bewegungsdrang und stürzen sich gerne auf Alles, was Rollen und Räder hat.
In der Weihnachtszeit werden Flüchtlinge mit den Lembecker Traditionen vertraut gemacht: Besuch des Adventsmarktes bei Nordendorf und Teilnahme am Nikolausumzug. Zu „Lembeck leuchtet“ werden wiederum Plätzchen nach syrischen Rezepten gebacken und verkauft. Im Januar wird bekannt, dass das
Michaelisstift in Lembeck städtische Unterkunft für zugewiesene Flüchtlinge wird. Es liegt genau in der Mitte zwischen Lembeck und Rhade. Für die
Organisten ist es nun selbstverständlich, die Rhader Bürger auch ins Boot zu holen und gemeinsam diese städtische Unterkunft ehrenamtlich mit dem Ziel der Integration zu betreuen. Wieder findet eine Versammlung mit besonderer Resonanz statt, dieses Mal in der Rhader Kirche am 26.01.2016. Etwa 100 Menschen bieten ihre Hilfen an.
Von nun an heißt es Flüchtlingshilfe Lembeck-Rhade. Im Michaelisstift wird andere Hilfe gebraucht. Hier müssen alle Bewohner selbst kochen, putzen
und einkaufen. Die Kinder sind schulpflichtig. Fahrräder sind sehr gefragt. Ehrenamtliche kümmern sich um Hilfen im Alltag wie Begleitung zur Schule und auch bei Einkäufen. In der Küche wird Fladenbrot in großen Mengen gebacken. Es duftet im ganzen Haus. Sprachkurse finden statt. Ehrenamtliche
begleiten die jungen Bewohner zum Fußball. Frauen besuchen den Handarbeitskreis. In der Caritas Sprechstunde werden alle Fragen zu Anträgen, zum
Wohnen und Geld beantwortet, manchmal mit einem ehrenamtlichen Übersetzer. Doch der größte Wunsch der Flüchtlinge ist es, eine eigene Wohnung
zu finden. So wie die Groß-Familie aus Afghanistan, die schon Weihnachten in eine städtische Wohnung in Lembeck eingezogen ist.
Da Möbel, Wäsche, Töpfe fehlen, wird spontan eine Lembeckerin aktiv und organisiert mit tatkräftiger Lembecker Hilfe schnell einen kompletten Hausstand. Fortan ist sie die enge Begleiterin dieser Familie und nutzt hierzu die vielfältigen Angebote der Flüchtlingshilfe. Ehrenamtliche Betreuer von Flücht-
lingen haben besondere Einblicke in deren Leben. Sie stehen mit Behörden, Ärzten, Schulen, etc. in Kontakt und versuchen die Flüchtlinge zu unterstützen und zu integrieren. Sie heißen daher auch Integrationslotsen. Nach einer Kursteilnahme erhalten die Integrationslotsen ein Dokument und können sich damit ausweisen. Das haben 26 Personen aus Lembeck und Rhade im ersten Kurs im Dorfcafé gemacht. Integration geht aber besonders über Kontakte! Ein „Weltcafe“ soll dazu beitragen die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Im Carola-Martius-Haus in Rhade treffen sich am 08.05.2016 Bürger und Flüchtlinge zu einem bunten Nachmittag mit Tanz und Musikeinlagen. Daraus soll ein regelmäßiger Treffpunkt werden.
Und die Zukunft? Niemand weiß, wie es weitergehen wird! Die Anstrengungen, positiven und manchmal auch negativen Erlebnisse haben viel Kraft gekostet.
Viele Helfer konnten jedoch im Sommer eine Pause einlegen, weil die Landesunterkunft Laurentiusschule Ende Mai geschlossen wurde, und nur wenige neue Menschen in das Michaelisstift kamen. Doch seit August füllt sich die städtische Unterkunft zwischen Lembeck und Rhade und es gilt nun die Arbeit der Flüchtlingshilfe wieder zu aktivieren. Weitere neue Helfer sind herzlich willkommen!
Unser Fazit aus vielen Gesprächen bislang:
Wir lernen andere Menschen, Schicksale, Geschichten und Kulturen kennen. Wir erfahren viel Dankbarkeit. Der ehrenamtliche Einsatz ist mitunter anstrengend, aber sehr sinnstiftend. Es entstehen neue zwischenmenschliche Kontakte. Sowohl in Lembeck als auch in Rhade engagieren sich ungeahnt und unerwartet viele Ehrenamtliche, deren Fähigkeiten und Kräfte bislang unentdeckt geblieben waren. Lembeck und Rhade sind sich näher gekommen …. und sind starke Dörfer!
Für die Flüchtlingshilfe Lembeck-Rhade
Ulla Küsters und Katja Breuer
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Abschluss der Flüchtlingshilfe Lembeck-Rhade im Januar 2019
Lembeck / Rhade – Die allgemeine Tendenz, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen, ist auch in Lembeck und Rhade zu spüren. Nachdem die ehemalige Laurentiusschule von der Bezirksregierung als Unterkunft wieder geschlossen wurde und auch das Michaelisstift als städtische Unterkunft keine Flüchtlinge mehr beherbergt, ist die Organisation der Flüchtlingshilfe Lembeck/Rhade nicht mehr notwendig.
Die bestens funktionierende und ehrenamtlich organisierte Flüchtlingshilfe Lembeck / Rhade kam nun zum Abschluss und traf sich am gestrigen Sonntag im Rhader Carola-Martius-Haus.
Nach einer Filmvorführung zum Thema Flüchtlingshilfe wurde dann um 17 Uhr zum gemütlichen Beisammensein für alle Helfer eingeladen. Als kleines Dankeschön für die geleistete Arbeit der ehrenamtlich tätigen Flüchtlingshelfer gab es neben kühlen Getränken auch ein Buffet mit diversen Köstlichkeiten, die vom Haus Granat hergerichtet wurden.
Bürgermeister Tobias Stockhoff kam etwas später, direkt vom Neujahrsempfang der CDU, zum Carola-Martius-Haus und bedankte sich bei den fleißigen Helfern.
28.01.2019 – Lembeck.de – Frank Langenhorst